zu BAG, Beschluss vom 28.02.2023 – 8 AZB 17/22
Die Weiterbeschäftigung ist eine unvertretbare Handlung, zu der der Arbeitgeber grundsätzlich durch Zwangsgeld angehalten werden kann. Dessen Entscheidung, die bisherigen Aufgaben auf andere Beschäftigte zu übertragen, führt laut Bundesarbeitsgericht nicht dazu, dass ihm die Beschäftigung unmöglich wird. Dieser Einwand könne bereits aus Beschleunigungsgründen nicht ins arbeitsgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden.
Kann ein titulierter Weiterbeschäftigungsanspruch mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden?
Ein kaufmännischer Leiter versuchte gegenüber seiner Arbeitgeberin über ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO seine Weiterbeschäftigung im laufenden Kündigungsschutzverfahren durchzusetzen. Die Schuldnerin hatte das Arbeitsverhältnis im Oktober 2021 “fristlos zum 28.10.2021” gekündigt. Das Arbeitsgericht Kassel hatte dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und die Schuldnerin verurteilt, den Angestellten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als kaufmännischen Leiter weiter zu beschäftigen. Damit war die Arbeitgeberin nicht einverstanden. Sie stellte einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG und beantragte, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts einzustellen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich, da der Gläubiger mit den Minderheitsgesellschaftern gegen den Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Firma intrigiert und versucht habe, diesen “loszuwerden”. Zwischenzeitlich sei der Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen und die bisherigen Aufgaben seien anders verteilt worden. Das ArbG Kassel setzte ein Zwangsgeld in Höhe von 7.073 Euro gegenüber der Schuldnerin fest, ersatzweise 1.000 Euro pro Tag Zwangshaft, zu vollziehen an deren Geschäftsführer. Das LAG Hessen wies den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 und § 707 ZPO in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ArbGG zurück. Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin beim BAG hatte keinen Erfolg.
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht dadurch unmöglich, dass Arbeitgeber den Betrieb umorganisiert hat
Das BAG stimmte der Zwangsgeldfestsetzung zu. Das LAG habe zutreffend erkannt, dass sich die Schuldnerin nicht mit Erfolg darauf berufen könne, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Gläubigers als kaufmännischer Leiter sei aufgrund der von ihr getroffenen unternehmerischen Organisationsentscheidung unmöglich. Der Vortrag der Arbeitgeberin ergebe nicht, dass sie nicht in der Lage wäre, den Betrieb so zu organisieren, dass der Gläubiger als kaufmännischer Leiter beschäftigt werden könnte. Zudem könne die Entscheidung, ob eine Arbeitsmöglichkeit durch unternehmerische Organisationsentscheidung entfallen sei, umfangreiche und schwierig zu treffende Feststellungen erfordern, die nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins arbeitsgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren, das auf Beschleunigung und frühzeitige Durchsetzung der Ansprüche ausgelegt sei, verlagert werden.